Appell an SPD-Abgeordnete: Am Abzug der Bundeswehr aus Syrien festhalten!

Lobbying

 

Anlässlich der überraschenden Nachrichten über eine erneute Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Syrien und die Bereitschaft der SPD mit der Koalitionspartnerin CDU/CSU über ein Anschlussmandat zu verhandeln, haben wir uns mit einem Brief an die Bundestagsabgeordneten der SPD gewandt:
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Bestürzung haben wir die Meldung über den Wunsch der Bundesverteidigungsministerin über eine Verlängerung des Syrien-/Irak-Einsatzes und die Erwähnung des Strebens nach dessen „Verstetigung“ zur Kenntnis genommen. (1)

Mit der Entscheidung für die Verlängerung des völkerrechtlich sehr fragwürdigen (2,3) Einsatzes im letzten Jahr wurden gleichzeitig die Überprüfung des Irak-Mandats sowie das Ende des Mandats in Syrien für Oktober 2019 in Aussicht gestellt. Dass dies gerade jetzt, in einer Zeit der sich verschärfenden Spannungen in der Region vor dem Hintergrund des Konflikts des Iran mit den USA, Israel, und arabischen Staaten sowie den türkischen und russischen Interessen in Frage gestellt wird, halten wir für eine sehr bedenkliche Entwicklung. Die aktuellen Aktivitäten Israels (4) sowie die Reaktionen von Hisbollah (5) und schiitischen Gruppen im Irak (6,7) sowie die Einkesselung eines türkischen Beobachtungspostens im syrischen Morek (8) und der Stopp eines türkischen Militärkonvois durch die syrische Luftwaffe (9) zeigen die gefährliche Gemengelage von regionalen und internationalen Interessen und ihr Eskalationspotential nur zu deutlich. Die Aufrechterhaltung oder gar Verstetigung des Mandats bedeutet ein unkalkulierbares Risiko für die Rolle und Interessen Deutschlands in der Region und eine Gefahr für Leib und Leben der beteiligten Soldat*innen. Ausschlaggebend sollte allerdings sein, dass der offizielle Anlass für das Mandat, die territoriale Präsenz des IS im militärischen Sinne, nicht mehr gegeben ist. Dementsprechend vermeldet „Inherent Resolve“ für Syrien seit Monaten fast keine Aktivitäten mehr. (10) Auch aus diesem Grund besteht weder die Notwendigkeit, dass Partnernationen deutsche Aufgaben in Syrien übernehmen, noch dass der Einsatz überhaupt fortgesetzt wird. Es ist nur zu augenscheinlich, dass es hier um Interessenlagen der direkt oder indirekt involvierten Staaten unter Missachtung des Völkerrechts geht, wie z.B. auch die Diskussionen über die türkische Sicherheitszone in Nordsyrien zeigen. (11) Hier vereinbaren ausländische Akteure die Kontrolle über Territorien eines souveränen Staates.

Die von Nils Schmid, SPD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, geforderte Ablösung durch andere Staaten der Anti-IS-Koalition, war nie Teil des Beschlusses des Bundestages. Sie ist aus oben genannten Gründen auch nicht notwendig.

Die Sache des Friedens, des Wohlergehens der Menschen und des Völkerrechts war immer die Sache der Sozialdemokratie. Eine Politik, die Macht- und Wirtschaftsinteressen zum Maßstab ihres Handelns macht, ist mit diesem Ansatz unvereinbar. Militäreinsätze und Wirtschaftssanktionen aus strategischem Interesse ignorieren das Leiden der Menschen, die hier zum Spielball dieser Interessen werden, und für diese Rolle mit Flucht, Zerstörung, Armut, Hunger, Invalidität und Tod bezahlen.

Vor diesem Hintergrund appellieren wir an Sie:
Bleiben Sie Ihrer selbstgewählten Linie, die auf ein Ende dieser Militäreinsätze hinzielt, treu. Lassen Sie nicht zu, dass die SPD aufgrund polittaktischer Kompromisse innerhalb der großen Koalition an Glaubwürdigkeit verliert. Unterstützen Sie nicht aus Loyalität gegenüber Verbündeten eine Außen- und Militärpolitik, die gegen sozialdemokratische Grundwerte verstößt. Beenden Sie mit Ihrer Stimme im Bundestag den Einsatz der Bundeswehr in Syrien und im Irak! Setzen Sie sich für ein Ende der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien und für schnelle Hilfen zum Wiederaufbau eines durch Krieg und Sanktionen zerstörten Landes ein!

 

Mit freundlichen Grüßen

die Sprecher*innen der Kampagne "MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien"

 

Quellen:

(1) https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/bundesverteidigungsministerin-kramp-karrenbauer-in-jordanien/ar-AAG0Cs3 (abgerufen am 29.08.2019)

(2) Allgemein zur Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit von Militäreinsätzen:
https://www.bundestag.de/resource/blob/563850/05f6dec762a939978c22a132ee680b9a/wd-2-029-18-pdf-data.pdf (abgerufen am 01.09.2019)

(3) https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/01/iraq-us-troops-pmu-shiite-militias.html (abgerufen am 01.09.2019)

(4) https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-israel-broke-the-rules-of-the-game-and-now-the-ball-in-hezbollah-s-court-1.7740670 (abgerufen am 29.08.2019)

(5) http://english.almanar.com.lb/815289 (abgerufen am 29.08.2019)

(6) https://www.reuters.com/article/us-iraq-security-strikes/iraq-shiite-militia-blame-israel-for-deadly-air-raid-near-syria-border-idUSKCN1VF0SX (abgerufen am 29.08.2019)

(7) https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/08/iraq-us-israel-pmu.html (abgerufen am 29.08.2018)

(8) https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2019/Aug-23/490232-troops-in-control-of-northern-hama-countryside.ashx (abgerufen am 29.08.2019)

(9) https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/08/turkey-russia-stress-test-idlib-syria-strike-convoy.html (abgerufen am 29.08.2019)

(10) https://www.inherentresolve.mil/Portals/14/Documents/Strike%20Releases/2019/08%20August/CJTF-OIR%20Press%20Release%2020190806-01-Strike%20Release.pdf?ver=2019-08-06-105849-603 https://www.inherentresolve.mil/Portals/14/Documents/Strike%20Releases/2019/07%20July/CJTF-OIR%20Press%20Release%2020190703-01-Strike%20Release.pdf?ver=2019-07-03-145312-280 https://www.inherentresolve.mil/Portals/14/Documents/Strike%20Releases/2019/06%20June/CJTF-OIR%20Press%20Release%2020190604-02-Strike%20Release.pdf?ver=2019-06-04-115418-937
(alle abgerufen am 29.08.2019)

(11) https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/08/putin-proposes-buffer-zone-idlib.html
(abgerufen am 29.08.2019)

 

 

Hier gibt es den Text in Briefformat als PDF.