Lobbymail an die Bundestagsabgeordneten der SPD und CDU/CSU

Lobbying

 

Anlässlich der Wahlen im Irak im Mai dieses Jahres hat unsere Kampagne einen Brief an die Bundestagsabgeordneten der Fraktionen von SPD und CDU/CSU verfasst. Darin appellieren wir an die Abgeordneten ihr "Ja" für das Mandat aufgrund der neuen politischen Situation im Irak zu überdenken. Wie die Wahlen im Irak mit dem Bundeswehrmandat für Syrien und den Irak zusammenhängen, kannst Du in der Lobbymail an die SPD-Fraktion nachlesen. Sobald wir Antworten der Bundestagsabgeordneten erhalten, informieren wir Dich natürlich auch darüber!

 

22.06.2018

Wir bitten um Stellungnahme: Zum Einfluss der Wahlen im Irak auf das Bundeswehrmandat für Syrien und den Irak

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,

am 22. März 2018 wurde im Bundestag über die siebenmonatige Verlängerung und Ausweitung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur nachhaltigen Bekämpfung des IS-Terrors und zur umfassenden Stabilisierung Iraks (vormals Mandat „Counter Daesh“) abgestimmt.

Die Mehrheit der SPD-Fraktion hat bei dieser Abstimmung für den Einsatz und dessen Ausweitung gestimmt. Wir bedauern diese Entscheidung und möchten Sie bitten, sofern Sie nicht bereits gegen das Mandat gestimmt haben, Ihren Entschluss angesichts der gegenwärtigen politischen Entwicklungen im Irak zu überprüfen.

Im Vorfeld der Abstimmung hat die SPD berechtigte Zweifel an der Ausweitung des Bundeswehrmandats für Syrien auf den Irak geäußert und eine Verkürzung der Mandatslaufzeit bis zum 31. Oktober 2018 erwirkt.

Ein Grund dafür waren die vor der Mandatsabstimmung im Bundestag bevorstehenden Wahlen im Irak und die dadurch bedingten unabsehbaren innenpolitischen Entwicklungen im Land. Tatsächlich hat sich die politische Lage durch die Wahl am 12. Mai 2018 im Irak erheblich verändert. Der amtierende irakische Premierminister Haider al-Abadi wurde abgewählt. Es ist weiterhin nicht absehbar, wie sich die vom schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadr geführten Verhandlungen zur Regierungsbildung im Irak entwickeln werden. Eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen schiitischen Milizenführer und Iran nahestehenden Hadi al-Amiri ist wahrscheinlich. Vor den Wahlen hatte Al-Sadr ein Bündnis mit Al-Amiri ausgeschlossen, weil er den Einfluss der Nachbarstaaten auf den Irak ausnahmslos ablehnte. Derzeit ist also unklar

1.    welche Auswirkungen die mögliche neue Regierungskoalition auf den innerirakischen Konflikt haben wird, und

2.    welche Auswirkungen die mögliche neue Regierungskoalition auf den Einsatz der Bundeswehr im Irak und insbesondere auf die Sicherheit deutscher Soldatinnen und    Soldaten haben wird.

Im Vorfeld der Mandatsabstimmung im März erklärte der stellvertretende Vorsitzende Ihrer Fraktion, Dr. Rolf Mützenich, dass die Beurteilung des Einsatzes der Bundeswehr im Irak unter anderem von den oben genannten Faktoren abhängig sei. Berücksichtigt werden muss außerdem, dass die Gespräche von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen über die Form der Beteiligung der Bundeswehr im Irak mit dem scheidenden Präsidenten Mohammed Fuad Masum geführt wurden. Anlässlich der Ablösung der amtierenden irakischen Regierung müssen deshalb Gespräche mit den neu gewählten politischen Entscheidungsträger*innen im Irak geführt werden, bevor der Bundeswehreinsatz in der Region in seiner jetzigen Form weitergeführt werden kann.
 

Wir appellieren deshalb an Sie, Ihre Entscheidung über eine mögliche Verlängerung des Syrien/Irak-Mandates auf Grundlage der laufenden politischen Entwicklungen im Irak und vor dem Hintergrund der folgenden Fragen zu überdenken:

•    Ist absehbar, wie sich der innerirakische Konflikt zwischen der Autonomen Provinz Kurdistan und der Zentralregierung infolge der Regierungsbildung entwickeln wird und welche Konsequenzen eine Verschärfung der Spannungen auf die Arbeit der im Irak stationierten deutschen Soldaten und Soldatinnen haben wird?
•    Ist die Bereitschaft der irakischen Regierung zu Reformen und nachhaltigen Friedensinitiativen in den verschiedenen Konfliktfeldern der Region auch mit der neuen möglichen Regierungskoalition gewährleistet?
 
Die Antworten auf diese Fragen sind unserer Einschätzung nach höchst unsicher. Wir fürchten, dass der Ausbildungseinsatz der Bundeswehr zu neuen Spannungen im Irak und in der ganzen Region beitragen könnte.

Statt des Einsatzes der Bundeswehr zur sogenannten Terrorbekämpfung fordern wir deshalb den Ausbau nicht-militärischer Kompetenzen zur Bearbeitung gewaltsamer Konflikte. Wir sind überzeugt: Nicht durch den Aufbau militärischer Fähigkeiten und internationale militärische Interventionen, sondern allein durch den Aufbau und die Förderung ziviler Kompetenzen können Krieg und terroristische Gewalt nachhaltig überwunden werden. Frieden durch friedliche Mittel muss Ziel und Weg deutscher Außen- und Sicherheitspolitik sein.

Deutsche Politik könnte unter anderem

•    durch Wiederaufbauhilfen in Syrien und im Irak konstruktive Kontakte aufbauen und soziale Strukturen stabilisieren
•    wissenschaftliche Expertise zur Bearbeitung der Konflikte in diesen Ländern heranziehen und durch adäquate Konfliktanalyse zu wirksamen Hilfen kommen, sei es durch Beratung der Verantwortlichen vor Ort oder durch direkten Einsatz von Fachkräften des Zivilen Friedensdienstes
•    Ausstiegsprogramme für Mitglieder von terroristischen Organisationen und anderen gewaltbereiten Gruppen sowie parallel den gewaltfreien Widerstand der einheimischen Bevölkerung gegen den Terrorismus unterstützen
•    statt Soldat*innen der Bundeswehr zivile Kräfte zur Kampfmittel- und Minenräumung und zur Ausbildung dazu entsenden, die nicht als Aggressor*innen wahrgenommen werden.

Wir würden uns freuen, wenn Sie sich unseren Forderungen anschließen könnten. Setzen Sie sich für ein Ende des Militäreinsatzes ein! Und machen Sie sich innerhalb Ihrer Fraktion und Ihrer Partei für zivile Lösungen für Syrien und den Irak stark!


Mit freundlichen Grüßen

die Sprecher*innen der Kampagne: Susanne Grabenhorst (Vorsitzende IPPNW), Berthold Keunecke (Vorsitzender Internationaler Versöhnungsbund Deutscher Zweig), Ulrich Wohland (Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden)
 

PS: Über eine Rückmeldung Ihrerseits und eine Stellungnahme zu unseren Fragen und Forderungen würden wir uns freuen.

Weitere Informationen finden Sie unter www.macht-frieden.de.